‘Wer suchet der findet’ oder ‘the day after tomorrow’

Posted by: on Jan 5, 2013 | Keine Kommentare

So sucht Kleve nach einer Identität.
Diese passende Überschrift von Matthias Grass in der RP heute beschreibt das Klima das zu dieser Zeit in Kleve herrscht. Eine Mischung aus Aufbruch und Orientierungslosigkeit. Die Bäderkultur ist lange vorbei, auch wenn diese demnächst im Haus Koekkoek unter dem Titel ‘Balnea‘ noch eimal anhand von Modellen nachempfunden werden kann. Die zerstörerischen Kriegsjahre haben sich ebenso in die Stadtgeschichte eingereiht und die Hochschule wird noch Jahre bis Jahrzehnte brauchen um mit Kleve zu verwachsen. Hallenbad KleveEin Hallenbad (siehe Bild) wurde gebaut und bald wieder abgerissen, ein Krankenhaus wurde ein provisorisches Rathaus und weiteres wird sich finden. Da Architektur eine öffentliche Angelegenheit ist, sollte diese sich auch der öffentlichen Meinung stellen und diese besser noch suchen.

Veränderung ist der eigentliche Prozess einer jeden Stadt. Alleine Architektur, seien es Gebäude, Straßen oder Landschaften, überdauern Generationen. Dies ist die Verantwortung die es einzuhalten gilt. Ich wiederhole mich ständig und gerne und der Leitgedanke die Stadt von Innen heraus zu entwickeln ist richtig, und der Minoritenplatz ist bereits jetzt die sichtbare Mitte und wird es bald unübersehbar werden. Was auf diesem Platz möglich ist möchte ich erneut versuchen darzustellen.

Aber erst einmal zurück zur Identität!

Identität findet und entwickelt sich im Laufe eines Lebens, dies gilt für Menschen. Menschen suchen dabei nach Eigenschaften, die sie als Person kennzeichnen und unverwechselbar machen. Eine Identität für eine Stadt zu finden ist illusorisch, da es wie gesagt viele Generationen braucht um eine Stadt ihr Bild zu geben. Und es geht in der Tat um Bilder, aus diesem Grund ist es auch geradezu aufdringlich logisch und konsequent das z.B. Susanne Rexing als Innenarchitektin sowie Architekten ganz allgemein, die Klever Heimatvereine, Historiker, Künstler und viele andere einen Gestaltungsbeirat fordern. In diesem Zusammenhang ist der Blick in die Niederlande nicht zwingend, in Regensburg gibt es ihn seit 14 Jahren. In ganz Deutschland über 60 solcher Beiräte. In Kleve würde die Politik und Verwaltung durch die Befürwortung eines solchen Kompetenz-Beirates eine Diskussion über Städtebau in Gang bringen die zu etwas führt was gerade jetzt in Kleve zu finden versucht wird. Identität.

Hegel schrieb; „Identität ist der mit sich selbst identische Unterschied“.
Dieses hirnzerreisende Bild ist fantastisch. Erst durch die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber finden wir zu uns selbst mit der Erkenntnis ein Teil von etwas größerem zu sein, einer Gemeinschaft. Hört sich zwar nicht annähernd so klug an, macht aber genau so deutlich das eine Stadt aus der Summe seiner Teile besteht und dies der Mehrwert ist. In diesem Sinne sind wir alle Klever Schätze.

Wenn ich in dem Artikel lese, das die SPD seit 2008 etwas fordert und weiter “uns als CDU ist wichtig…” vermisse ich genau das was ich vorher beschrieben habe, Gemeinschaft. Ich möchte wiederholt feststellen, das wir alle in Kleve leben und die Parteizugehörigkeit wirklich Niemanden mehr interessiert. Die Nichtwähler haben mit ca. 54% die absolute Mehrheit in Kleve.

Ich lese immer wieder Eigenschaften wie ‘einheitlich’ oder ‘besseres Outfit’ bei gleichzeitiger ‘größeren Freiheit’. “Schlüssige Bebauung die der Stadt das für sie typische Bild gebe…“. Mit Verlaub Herr Gebing, aber als Fachanwalt für Baurecht muss ich Ihnen entgegenhalten das dies alles nur Worthülsen sind. Architektur definiert sich nicht über seine Beschreibung sondern durch seine Form, die aber in der Tat beschrieben werden kann. Ich möchte nicht anmaßend klingen aber hier einige Beschreibungen die ich persönlich als geeigneter empfinde.

In welchem Stil sollte gebaut werden? In der Architekturgeschichte gab/gibt es geradezu ein Verbot über Schönheit zu sprechen. Dies wurde von Ingenieuren deren Beruf erst im späten achtzehnten Jahrhundert Anerkennung fand erlassen. Dieser Schwachsinn hält bis heute an. Wir müssen über Schönheit sprechen. Bei diesem Thema fallen gestandenen Männern die Eier aus der Hose. Aber trotz-alle-dem ist genau diese Debatte die Eigentliche vor der sich alle drücken. Was ist schön? Unser Eindruck von Schönheit ist letztlich die Vorstellung von einem guten Leben. Gleichermaßen finden wir ein Gebäude nicht deshalb hässlich, weil es unsere visuelle Vorliebe verletzt, sondern weil unser Verständnis von der richtigen Art zu leben widerspricht. Dies erklärt auch warum Debatten über Architektur mit solcher Intensität und Boshaftigkeit geführt werden.

Da ist es wieder, mein Steckenpferd, der Minoritenplatz. Ein Einkaufscenter huldigt einer Konsumgesellschaft in der Schönheit durch Abwesenheit zu überzeugen nicht im Stande ist.

Eine Markthalle, nichts anderes als eine Markthalle, liebe Klever, braucht diese Stadt.

Schönheit ist die Verheißung von Glück, wir sind sinnliche Wesen und der Anblick von Fliesenmustern kann mehr über Demut vermitteln als so manch heilige Schrift. Ich sage das als Fliesenleger, mein Vater hat mich immer korrigiert. Nur wenn er still war wußte ich das meine Arbeit gut genug war. Das kamm ein einziges Mal vor, ha.

An schönen Orten zu verweilen ist kein maßloser Luxus, sondern eine Voraussetzung für das Bestreben, ein guter Mensch zu sein. Wahrscheinlich kennt jeder von uns Orte die eine solche Harmonie ausstrahlen. Es sind sicher nicht viele, aber z.B. versuchen Architekten und Künstler sich genau dieser Herausforderung zu stellen. Dies ist zumindest meine Meinung.

Gebäude daraufhin zu untersuchen welche Ausstrahlung sie besitzen und welche nicht ist eigentlich Kinderleicht.

Ich versuche mich mal am ‘Hotel130‘.

Dieser knochenförmige Bau wirkt in seiner Maßstäblichkeit wie das Tankerschiff bei ‘the day after tomorrow’, dem Katastrophenfilm von Roland Emmerich. Dieser Tanker schiebt sich durch die ‘engen’ Gassen New York’s. Das Hotel130 scheint nur auf der Durchreise zu sein. Die beiden pontonartigen überdimensionalen Kommandobrücken flankieren nicht sondern zerquetschen die Loggia im Mittelschiff. Dieses Gebäude würde am Mittelmeer eine gewisse Sinnhaftigkeit vermitteln. In Kleve jedoch läuft man dann bei sommerlichen Temperaturen, eine Erfrischung erwartend, ins Wasser. Nach ca. 10 Metern prallt man dann gegen die Mauer einer Bank und zerschlägt sich den Kopf. Mann hätte sich halt nicht der Illusion hingeben sollen am Mittelmeer zu sein! Dieses Gebäude hat weder etwas prunkvolles oder elegantes, Verspieltheit sucht man ebenso vergebens wie Poesie. Die neue Gestaltungsordnung wird den Gebietscharakter hervorheben. Dieses Gebäude ist wie ein Panzer auf dem Truppenübungsgelände über einen VW-Klever gedonnert. Kurz gesagt ist das Hotel130 nicht ‘schön’.

Heute ist erneut zu lesen (Olaf Plotke – Kurier am Sonntag) “Eine Vorverurteilung ist meiner (Jürgen Rauer) Meinung nach nicht zulässig.” Ich hoffe das es denoch Zustimmung für eine, in diesem Fall, meine Meinung gibt.

Wir nennen etwas schön, weil wir mit dem Gegenteiligen in beschämendem Maße vertraut sind; mit Missmut und kleinlichem Gezänk im privaten Leben und in der Architektur mit Straßen, deren Häuser sich verärgert weigern, auch nur die geringste Rücksicht auf ihre Nachbarn zu nehmen, und stattdessen wie eifersüchtig und aufgebrachte Liebhaber chaotisch um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Die geordnete Strasse aber erteilt uns eine Lektion darüber, welche Vorteile es bringt, wenn man die individuelle Freiheit zugunsten eines höheren, kollektiven Plans aufgibt, in dem alle Teile sich zu Größerem zusammenfügen, weil jedes für sich zum Ganzen beiträgt.
(Alain de Botton)

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