Was braucht Kleve: Einkaufs-zentrum? Kultur-palast? Oder vielleicht ein Kulturzentrum?

Posted by: on Mrz 21, 2013 | Keine Kommentare
Grenzland Post 21 März 1970

Grenzland Post 21 März 1970

Kulturzentrum für Kleve?
Dies ist die Überschrift eines Artikels vom 21 März 1970 von Friedrich Gorissen. Heute jährt sich der Artikel genau zum 43e Mal und Herr Gorissen wäre 100.

Am 19 Juli 2012 schrieb ich “Was braucht Kleve: Ein Einkaufszentrum oder einen Kulturpalast?” (Am 24 September 2012 Teil II).

Aus der RP vom 21.04.2012:
In einem Festakt im Museum Kurhaus Kleve würdigten Drs. Bert Thissen und Drs. Guido de Werd den Historiker, Archivar und ersten Museumsdirektor …”

Der einst die Geschichte der Stadt Kleve mit ‘Von der Residenzstadt zur Bürgerstadt’ unterschrieb. Heute würde er in seinem Zorn sagen, wie Drs. Guido de Werd in seiner Festrede süffisant und zum Vergnügen aller im Saal einwarf: ‘Von der Bürgerstadt zur Kleinbürgerstadt’.

Friederich Gorissen hat sich bereits 1971 in dem ‘Plädoyer für eine Utopie – Argumente für den Plan einer grenzüberschreitenden Gesamthochschule am Niederrhein‘, ausgesprochen. Die Bürgerinitiative ‘Förderkreis für die Errichtung einer Hochschule am Niederrhein’ wurde im selben Jahr erwähnt (link). Heute ist die Hochschule Realität. Offensichtlich war er ein weit vorausschauender Mann!

Schönere Plätze
In seinem Artikel ‘Kulturzentrum für Kleve‘ beschreibt er die fehlenden Plätze und Platzsituationen in Kleve. Heute, exakt 43 Jahre später wird ein ‘integriertes Handlungskonzept‘ gesucht und es werden genau diese fehlenden Plätze bemängelt. Mit Verlaub, wer hat zu diesem Thema 43 Jahre geschlaffen?

Jetzt gibt es eventuell Geld vom Städtebauförderprogramm und da werden die Geister wach! Nun sollen schönere Plätze gestaltet werden. Es dürfte jetzt jedem klar und überdeutlich sein, das es einen Masterplan für die Stadtarchitektur ‘nie’ gegeben hat. Die Zeiten haben ihre Spuren hinterlassen und die Hochschule ist als Glücksfall für Kleve angekommen. Dieses zarte Pflänzchen braucht Wasser, Sonne und viel Zuneigung. Allem voran, Aufenthaltsqualität in dieser Stadt.

Dr. Friedrich Gorissen in seinem Zuhause, dem Friedrich-Wilhelm-Bad, 1985 (Foto: Museum Kurhaus)

Dr. Friedrich Gorissen 1985 (Foto: Museum Kurhaus)

“Nun kann auch der entschiedenste Lokalpatriot nicht behaupten, daß die Besucher Kleves durch städtebauliche Kostbarkeiten verwöhnt würden. Es gibt nichts Trostloseres als die wiederaufgebaute Klever Altstadt. Man findet Ansammlungen von Häusern; aber Straßen und Plätze, welche diesen Namen im architektonischen Verstande verdienten, findet man nicht. Die Chanche der Stunde Null wurde nirgendwo genützt.”

Am 15. März 2013 war zu lesen “Schönere Plätze für die Stadt geplant”. Der Parkplatz an der Stadthalle ist, in der Tat, kein Schmuckstück. Aber genau wie Gorissen es bereits erwähnt hat. Erst den ersten und dann den zweiten Schritt. Es gibt gerade genug Baustellen in Kleve, die aber auch alles andere als gelungen, auf den Weg gebracht, versucht zu werden. Jetzt schon scheinen einige überfordert zu sein, da kann es wohl nicht ernsthaft angedacht werden mal zwischendurch den Kermisdal planerisch zwischen zu schieben. Das aus Fehlern gelernt wird ist ja der einzige Umstand, seiner selbst, der zukunftstauglich ist.

Gorissen wußte nicht um den jetzigen Ort der Hochschule, hätte er dies gewußt, hätte er die Platz-schaffung am Minoritenplatz vor Augen gehabt. Dies ist das, neue urbane Zentrum von Kleve, niergens anders!

Sehr geehrte Klever, sehen Sie sich die Worte von Friedrich Gorissen an, der vor 43 Jahren diese Stadt beschrieb. Es hat sich nicht geändert!
Die lose Aneinanderreihung von Häusern muss aufhören. Ein Gesamtbild bedarf einer Vorstellung, die ich noch von niemanden in dieser Stadt wahrgenommen habe. Und somit bedarf es der dringlichsten Notwendigkeit eines Gestaltungsbeirates. Hier sei erwähnt das Friedrich Gorissen in Danzig Architekur studiert hat.

Nicht wirklich gut
Der ‘überarbeitete’ Entwurf von Sontowski hat sich nur unwesentlich geändert. Etwas schlechtes lässt sich schnell verbessern ohne wirklich gut zu sein. Das Gebäude sollte nicht im Mittelpunkt der Disskusion stehen, sondern die Stadtentwicklung Kleves.

Friedrich Gorissen bemängelte vor 43 Jahren (!):

  • Stunde Null blieb in der Altstadt ungenutzt.” Auf dem Minoplatz ist noch immer Stunde Null!
  • …fehlenden Plätze!” Einer ist direkt vor unserem geistigen Auge.
  • “…eine zusammenhängende Stadtentwicklung.” Die Altstadtblöcke wurden von Team 5 in den Mittelpunkt ihres Konzeptes gestellt um genau dies zu entsprechen!
  • “…das man, wenn man den ersten Schritt tut, die nächsten vor Augen haben sollte.” In Kleve werden Häuser nacheinander Gebaut und von einem Stadtbild weit und breit keine Spur. Dies schadet Kleve, jedem Einzelnen Klever!
  • … will diese Stadt nicht kulturell unter den Eichstrich geraten, so muß sie die Bibliothek wenigstens auf den erreschenbaren Normstand … bringen.” Gorissen war ein Hellseher, jetzt nachdem die Klever Stadt-Bücherrei, vorübergehend, in ein Fabrikgebäude aus den 50/60 iger Jahren untergebracht wurde, hat diese heute den Charme eines verstaubten Kellers und ist somit weit unter dem, von Gorissen genannten, Eichstrich von nunmehr 2013. Ich erinnere daran das Kleve jetzt Hochschulstandort ist und somit eine Wissensstadt verkörpert! In einer Bücherrei wird Informationskompetenz vermittelt, in dieser Zeit einer der ganz großen Aufgaben. Will Kleve sich aktiv den Voraussetzungen der Zukunft stellen, sollte hier und heute etwas unternommen werden. Eine neue Bibliotek am Rathausplatz und der freiwerdende Baukörper für Altengerechtes wohnen am Wasser. Die Örtlichkeit hat herausragende wohnqualitäten.
  • Es dürfte darüber Einigkeit bestehen, daß dies Kulturzentrum – wenn man dies Wort gebrauchen will, weil es so praktisch ist – möglichst im Herzen der Stadt liegen sollte.” Wie gesagt konnte Gorissen nicht Wissen das die Hochschule am Hafen liegt, somit ist der Minoplatz das heutige Herz der Stadt geworden!

Hätte Gorissen um die Entwicklung der Lebensmittel gewußt, der Regionalitäts-Nachhaltigkeitsdebatte, würde er sicher eine multifunktionale Markthalle am Minoplatz begrüßen. In meinem Artikel “Lasst uns eine Markthalle bauen!” hatte ich diese Markthalle ja bereits Gorissen und de Werd gewidmet.

Wenn diese Stadt nicht wieder 43 Jahre stadtgestalterisch stehen bleiben will muss etwas geschehen. “Nun kann auch der entschiedenste Lokalpatriot nicht behaupten, daß die Besucher Kleves durch städtebauliche Kostbarkeiten verwöhnt würden.” beschreibt Gorissen eindrucksvoll den selbst zu verantworteten Mangel.

Architektur Anno 2013 könnte auch städtebaulich verwöhnen aber dies bleibt bisher dem Zufall überlassen, im planerischen Würfelhustenspiel. Jetzt ist hoffentlich jedem intressierten deutlich geworden das Handlungsbedarf, für diese unsere Stadt, besteht.

Für die Interessierten, hier unten der original Text von Gorissen:
……..

KULTURZENTRUM FÜR KLEVE?
Stunde Null blieb in der Altstadt ungenutzt

Von Friedrich Gorissen

KLEVE. Es ist für ein eitlen Autor – und welche Autor wäre es nicht? – stets ein Vergnügen eigener Art, wenn er bemerkt, wie hier ein lässig hingestreuter Gedanke, dort ein sorgfältig versteckter Halbsatz seine akute Wirkung zeigt, wie wenn ein bloßliegender Nerv berührt wurde. Hier schreien einige rheinische oder westfälische Kunsthostoriker, weil man ein passant die Bemerkung fallen ließ, an ihren Instituten würde die Geschichte der Kunst unter folklorischen Kriterien abgehandelt; dort fühlt sich alles provoziert, was in deutschen Gauen den Namen “Heimat” aufs Panier geschrieben hat, weil man gelegentlich geäußert hat, von Oberammergau bis nach Insterburg sähen alle Heimatmuseen gleich aus und ähnelten die Heimatlieder (Woor höör ek thüs) einander wie die Museen und seien alle zusammen billige Plagiate von desGeheimen Rates Goethe Mignon-Lied (Kennst du das Land); dann finden auf einmal die Dorfverschönerer Anlaß, ihre heiligsten Güter zu verteidigen. Man kann, spätestens seit Schopppenhauer, diesem Genie der Unfreundlichkeit, keinen kritischen Gedanken niederschreiben ohne daß prompt die einschlägige Innung auf den Plan tritt. Nichts vergnüglicher für einen eitlen Autor als solche Reaktionen; sie geben ihm das wohltuende Gefühl, gelesen zu werden.

Auch Walter Gieseler hat mich gelesen, sogar – wie die letzten Zeilen seines am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche abgedruckte Aufsatzes zeigen – meinen Aufsatz im Kalender. Ich stimmme ihm in vielen Punkten spontan zu; an einigen anderen Punkten scheiden sich zunächst die Geister. Hier kann eine fruchtbare Diskussion einsetzen und klären, was durch eine sachliche Argumentation und rationales Abwägen der Gründe und Gegengründe gemeinsame Plattform aller je auf ihre Weise am kulturellen Leben dieser Stadt Beteiligten werden kann.

Walter Gieseler hat ein ganzes Bündel von Problemen aufgeschnürt. Ich will mich nur mit einem einzigen Problem befassen; einmal, weil mich Walter Gieseler in dieser Sache ausdrücklich zitiert hat; zum anderen, weil ich es für zweckmäßig halte, den ersten Schritt vor dem zweiten zu tun – wobei ich völlig mit ihm übereinstimme in der Meinung,daß man, wenn man schon den ersten Schritt tut, die nächsten hundert vor Augen haben sollte.

Eben das war der Grund, warum ich bei der Beratung des Kulturetais vorschlug, doch endlich einmal nicht nur das Budget des Jahres 1970 vor Augen zu haben, sondern sich zu überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, über die Nasenspitze hinauszuschauen und nachzudenken, ob man nicht einen über eine Reihe von Jahren laufenden und auf ein wünschenswertes Ziel gerochteten Fahrplan austellen sollte, zo daß in Zukunft jedes Jahresbudget uns diesem Ziel näherbringe. Der aktuelle Anlaß: Will die Stadt Kleve – die nach dem Scheitern des Kasernenprojektes nun eine Universität ins Visier nehmen möchte – will diese Stadt nicht kulturell unter den Eichstrich geraten, so muß sie ihre Bibliothek wenigstens auf den errechenbaren Normstand einer durchschnittlichen Mittelstadt bringen. Wenn sie dies will, lohnt kein Umbau des Marstalls, da das Gebäude auch nach Freiwerden des Erdgeschosses dafür zu klein ist. ANderseits: der Marstall wäre das geeigneteund auf lange Zeit ausreichende Gebäude für das Stadtarchiv – das ja tatsächlich nach seinem Bestande mehr als ein Kreisarchiv ist – und für siene umfangreiche, etwa 12 000 Bände fassende wissentschaftliche Bibliothek, die ihrerseits die Volksbücherei vorzöglich ergänzen könnte. Archiv und Bibliothek sollten darum möglichst aucg räumlich beieinander bleiben. Es fehlen in unsere Stadt aberauch Vortragsräume für ine Volkshochschule, und es fehlt vor allem ein ständig nutzbarer moderner Austellungsraum, damit die ständige Sammlung des Museums endlich, endlich zweckmäßig untergebracht werden kann.

Volksbücherei, Archiv und wissenschaftliche Bücherei, Ausstellungsraum, Vortragsräume – diese Funktionen sollten auch räumlich beisammen bleiben, Es dürfte darüber Einigkeit bestehen, daß dies Kulturzentrum – wenn man dies Wort gebrauchen will, weil es so praktisch ist – möglichst im Herzen der Stadt liegen sollte. Wo es genau liegen sollte, ist ein städtebauliches Problem.

Nun kann auch der entschiedenste Lokalpatriot nicht behaupten, daß die Besucher Kleves durch städtebauliche Kostbarkeiten verwöhnt würden. Es gibt nichts Trostloseres als die wiederaufgebaute Klever Altstadt. Man findet Ansammlungen von Häusern; aber Straßen und Plätze, welche diesen Namen im architektonischen Verstande verdienten, findet man nicht. Die Chanche der Stunde Null wurde nirgendwo genützt. Es gibt nur ein einziges Platzfragment in der Stadt, wo die Chance besteht – das ist der Vorplatz der Burg, die ehemalige Reitbahn vor dem Marstall. Der Pessimist wird resignierend erwarten, daß auf den Baulücken ja doch in Kürze die üblichen Bungalows entstehen werden. Der Optimist kann darauf hoffen, daß die städtebaulichen Möglichkeiten dieses Platzes genutzt werden.

Burg und Marstall sind die beiden zwar rudimentäre, aber immer noch eindrucksvolle Wände eines Platzes, von diesen architektonischer Wirkung wir uns nur einen Eindruck machen können, wenn wir jahrhundertealte Geschichten betrachten. Leider ist die Chance, an der unteren Schmalseite, zur Stadt hin, eine kraftvolle Platzwand zu schaffen, dahin. Dagegen haben wir noch alle Möglichkeiten, die östliche Platzwand – zum Kermisdahl hin – zu schließen. Hier haben bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Kanzlei (auf dem Gelände, auf dem später die Synagoge errichtet wurde) und die Galerie (über dem Bleichenberg) gestanden. Bodo Ebhardt hat 1909 den Pplan entwickelt, den Platz wieder in der mittelalterlichen Form zu rekonstruieren. Daraus ist nichts geworden. Man mag darüaber streiten, on eine Rekonstruktion historischer Bauten das Wahre ist; daß der Platz nach einer Wand im Osten verlangt, ist unstrittig. Hier setzt mein Vorschlag an.

Das Gelände und die nutzbaren Reste allter Gebuade verlangen zwei schräg gegeneinander abgewinkelte Bauteile. Der Block auf dem Grundstück der früheren Synagoge hat Front zur Goldstraße; an der Stelle der vormaligen Galerie wäre der ideale Platz für einen geräumigen Ausstellungsraum mit Oberlicht im Obergeschoß. Zwischen den beiden Wegen, die zum Kermisdahl hinabführen, sowie zwischen dem Bleichenberg und dem Block der neuen Stadtbücherei ist genügend Platz für Vortragsräume, von denen der südlich des Bleichenberges gelegene eine erhebliche Tiefe haben könnte. Damit der Blick in die Ebene unverstellt bleibt, müßte das Untergeschoß der Galerie zwischen den beiden Wegen durchsichtig bleiben. Die herbeigefügte Ideenskizze soll nur die Baumassen und ihre ungefähre Wirkung wiedergeben. Die will nicht mehr sein als eine Diskussionsgrundlage.

Es ist kaum nötig zu sagen, daß sich für die Stadtbücherei kaum ein wirkungsvollerer Platz finden läßt, zumal wenn man bedenkt, daß sich hinter dem Vortragssaal südlich des Bleichenberges ein geschützter Hof schaffen läßt, aus dem man ein reizvoller Blick auf den Burgberg und in die Ebene geht. Andererseits darf nicht verschwiegen werden, daß der Platz auf die Dauer noch nach weiteren Maßnahmen verlangt. Das Zwingertor am Hertenberg wäre wieder aus seiner teilweisen Verschüttung freizulegen und architektonisch wieder in die gleichfalls verschüttete Bastionsmauer der Burg einzubinden und damit der formlose Ausgang zur Burg zu straffen: die Burg erhielte dadurch wieder die nötige architektonische Basis. Solche Initiative würde gewiß auch die Unterstützung vom Land und Landschaft finden.

(Quelle: GRENZLAND POST Nr. 68, 21 März 1970)

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